Die fiesesten Pflegefälle
Illegalisiert zu sein, heißt rechtlos zu sein. Fünf fiese Pfegefälle, wie sie nicht angemeldeten Pflegerinnen eben auch passieren. Recherchiert von Gerfried Balzer.
Sie pflegen unsichtbar zehntausende ÖsterreicherInnen in ihren Wohnungen. Viele meinen, ihre Arbeitsleistung sei unverzichtbar. Nur in der öffentlichen Diskussion sieht sie niemand, weil sie offiziell gar nicht hier sind – illegalisierte Pflegerinnen aus der Slowakei, aus Polen, Bulgarien oder anderen osteuropäischen Staaten.
Die Frauen schlafen auf der Couch, sind 24 Stunden einsatzbereit und „können doch dankbar sein“, dass sie in Österreich „eh“ mehr verdienen als daheim. Dass sie über keine Unfall- oder Krankenversicherung verfügen ist eine Sache. Dass ein solcher Status schutzlos gegenüber Übergriffen oder auch das Nichteinhalten von Vereinbarungen macht, eine andere.
Wie es nicht angemeldeten Pflegerinnen ergehen kann, wird in den folgenden Episoden deutlich. Da hab ich gelacht Der Herr Peter ist an sich ein lieber Mann. In seinem Leben hat er’s halt nicht so gut erwischt. Und die letzten paar Jahre, die er noch zu leben hat, kann er auch nicht genießen. Er ist schwer zu Fuß und hat auch noch einen Blasen-Katheter. Darum hat er fast immer Schmerzen und ist grantig. Ich lasse mir das eigentlich schon gefallen, wenn er schimpft. Was soll ich denn dagegen machen? Mit dem Geld vom Herrn Peter und dem, was mein Mann verdient, können wir Anja, meine Tochter auf die Universität schicken.
Gut finde ich, wenn die Nichte vom Herrn Peter da ist. Die sagt ihm dann, dass er mich in Ruh’ lassen soll. Einmal, als ich ihm einen neuen Beutel an den Katheter angeschlossen habe, hat er wieder furchtbar geschimpft. Dass ich ein grober Trampel bin und solche Sachen. Da habe ich aufgeschaut und gesehen, dass die Nichte Grimassen geschnitten hat, um sich über den Herrn Peter lustig zu machen. Da musste ich auch lachen und die Arbeit kurz unterbrechen. Das hat gut getan.
Frau S. pflegt Herrn Peter in einem burgenländischen Grenzort. Sie verdient ohne Anmeldung umgerechnet 4 Euro pro Stunde.
Hab‘ gesagt: Selber unflexibel! Einmal hat mir Frau F. gedroht, den Lohn zu kürzen, weil ich nicht für meine Kollegin einspringen konnte. Wir wechseln uns immer ab, sie drei Tage, ich vier Tage und umgekehrt. Das geht eigentlich immer gut. Ich fahre mit dem Auto drei Stunden her und es ist besser, ein paar Tage am Stück zu arbeiten und nicht immer nach Hause zu fahren. Aber damals war irgendjemand krank in der Familie von meiner Kollegin und sie konnte nicht kommen. Da hat sie mich angerufen, als ich gerade auf der Autobahn am Weg nach Hause war und wollte, dass ich umkehre.
Ich war so müde und habe gesagt, dass ich nicht kann. Da hat sie gesagt, ich kriege weniger Lohn, weil ich so unflexibel bin. Ich habe geantwortet, dass Frau F. selbst unflexibel ist, weil sie ihren Vater nicht einen Tag selbst pflegen kann. Zuerst war sie deswegen ungehalten. Aber dann hat sie mich, glaube ich, verstanden. Jedenfalls hat sie nie mehr von einer Lohnkürzung gesprochen. Wer an diesem Tag auf ihren Vater aufgepasst hat? Eine Nachbarin.
Frau G. pendelt aus der Slowakei ins Burgenland. Sie verdient ohne Anmeldung 6 Euro pro Stunde am Tag und 2 Euro pro Stunde in der Nacht.
Gab schon schwierige Situationen Herr N. hat sich jetzt schon besser an mich gewöhnt. Aber in der ersten Zeit kamen schon abfällige Bemerkungen, dass ich eine Slawin sei und dass die Menschen in Österreich sorgsam behandelt werden müssen. Er wisse ja nicht, wie es in meiner Heimat sei. Er ist halt ein alter Mann. Seit seinem Schlaganfall braucht er viel Hilfe. Ob ich etwas zurückgesagt habe? Nein, Ich bin für die Arbeit nicht gemeldet und brauche das Geld dringend... Also, was soll ich machen? Es hat schon sehr schwierige Situationen gegeben, da möchte ich nicht darüber reden.
Manchmal hab‘ ich auch gedacht, er macht mir jetzt etwas zufleiß. Ich hab‘ mir vorgestellt, dass ich ihm alles auf das Bett werfe und sage: „So jetzt können Sie sich eine Österreicherin suchen, ich hab genug.“ Naja, was sollte ich machen, wo soll ich mich denn beschweren gehen? Die Kinder haben ihren Vater immer verteidigt, da fühlt man sich dann schon etwas verlassen.
Frau D. ist Bulgarin und pflegt seit eineinhalb Jahren in einem Wiener Haushalt abwechselnd mit einer zweiten Frau. Sie lebt permanent hier, ist trotz Amnestie nicht angemeldet und erhält für ein Monat 24-Stunden-Dienst mittlerweile 1.000 Euro.
Unsichtbar machen Die Familie hat mich als Haushaltshilfe angemeldet, also, offiziell helfe ich nur ein paar Stunden pro Tag aus. Ich habe einen kleinen Raum mit einem Bett, wo ich schlafe, da gibt’s auch eine Glocke, falls die Frau B. Hilfe braucht. Einen Menschen zu pflegen ist keine leichte Arbeit, aber das macht mir nichts aus. Das Ehepaar will ja, dass ihre Mutter gut versorgt ist. Einmal hat mich die Nachbarin gefragt, ob ich ihre Wäsche auch waschen und bügeln kann. Sie war ganz freundlich, hat mir gesagt, sie zahlt mir was dazu. Aber dann wollte sie mir nichts geben und ich sollte wieder ihre Wäsche waschen.
Sie hat gesagt, sie kann ja zur Polizei gehen und mich anzeigen, weil sie weiß, dass ich illegal da arbeite. Ich habe mir große Sorgen gemacht, ob ich dann eingesperrt werde. Dem Ehepaar habe ich nichts erzählt, erst später. Sie haben dann gemeint, ich soll mich in der nächsten Zeit nicht so vor der Haustür sehen lassen. Natürlich sehe ich die Nachbarin manchmal trotzdem, aber ich grüße sie nicht mehr, ich schau‘ sie gar nicht an. Passiert ist dann Gott sei Dank nichts.
Frau D. betreut seit einem Jahr die pflegebedürftige Frau B. in einem Haushalt in Wien. Sie bekommt 250 Euro pro Woche und fährt alle sechs Wochen für eine Woche nach Hause.
Sex gegen Geld Das schlimmste Erlebnis war bei einer anderen Familie als der, bei der ich jetzt bin. Ich weiß gar nicht mehr, wie die Frau geheißen hat, die ich gepflegt habe. Aber der Sohn, das weiß ich noch, der hieß Werner. Einmal hat er mich beim Bezahlen aufgefordert, mit ihm Sex gegen Geld zu haben. Ich wollte gehen und habe erst dann bemerkt, dass er das Zimmer versperrt hat. Der Schlüssel hat aber gesteckt, deshalb konnte ich weglaufen. Ich bin dann nicht mehr hingegangen. Eine Freundin, die mir geholfen hat, die Familie zu finden, hat später meine Sachen geholt.
Aber sie hat nicht mit dem Herrn Werner über das Problem gesprochen. Eine andere Freundin von uns, die danach bei ihm gearbeitet hat, hat dann erzählt, dass er ihr auch Geld angeboten hat. Aber die Türe war nicht versperrt. Sie ist noch immer dort.
Frau J. ist mittlerweile seit 4 Jahren bei einer Familie im Burgenland. Sie verdient rund 200 Euro pro Woche.