Einzelmasken als Gefahr?
RUBRIKEN. Der Grünen-Politiker Efgani Dönmez tappt selbst in die Falle rechter Rhetorik, wenn er vollverschleierten Frauen die Sozialleistungen verweigern will.
ANDERE ÜBER... | Ein Kommentar von Amira Hafner-Al Jabaji
Was der Grünen-Abgeordnete Efgani Dönmez auf seiner Internetseite über die Vollverschleierung – er nennt sie verkürzt „Burka“ – schreibt, liest sich wie ein Lehrstück für eine dialektische Erörterung. So schreibt er: „Kleidervorschriften sollten generell kein Thema in der österreichischen Politik sein.“ Genau dazu trägt er aber mit seinen Äußerungen erheblich bei, erklärt er doch das Tragen einer Burka nicht nur zu einem integrationspolitischen, sondern explizit auch zu einem frauen- und sozialpolitischen Thema. Des Weiteren stellt er fest, dass die wenigen Burka tragenden Frauen „uns als Gesellschaft kaum Sorgen bereiten“, nur um kurz darauf zu erklären, was politisch gegen sie zu unternehmen sei. Das ist ebenso fragwürdig, wie mit Recht zu konstatieren, dass „das eigentliche Problem bei den patriarchal geprägten Männern liege“, um dann wiederum die (vermeintliche) Lösung bei den Frauen zu suchen. Dass Dönmez die Burka-Diskussion nicht über die Religionsschiene, nicht über „den Islam“ abhandeln möchte, ist ihm zugute zu halten. Doch auch da wird es widersprüchlich. Aussagen wie „Die Burka an sich hat mit dem Islam an sich absolut nichts zu tun“ wirken in ihr Gegenteil verkehrt. So wie der berühmte weiße Elefant, an den man jetzt auf gar keinen Fall denken sollte. Die Forderung, die Burka-Debatte keinesfalls der FPÖ zu überlassen, klingt plausibel und ist gerechtfertigt. Markante Unterschiede zur rechtspopulistischen Rhetorik und Argumentation sind bei Dönmez selbst aber kaum festzustellen. Auch er bedient sich gängiger Klischees wie dem vom Frauen unterdrückenden, patriarchalen Islam sowie der Vorstellung, eine Frau sei dann befreit, wenn sie sich des Vollschleiers entledigt habe. Wie rechte Politiker und Politikerinnen verlangt auch Dönmez eine Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft. Und er spricht den Burka tragenden Frauen das Recht ab, ein Zeichen zu setzen gegen diese Gesellschaft, zu der sie nicht – bedingungslos – gehören wollen. In der Konsequenz sollen sie dann aber auch nicht beliebig Nutznießerinnen dieser Gesellschaft sein dürfen und keine Sozialleistungen erhalten, insbesondere dann nicht, wenn durch die Burka die Arbeitsmarkttauglichkeit der Frau reduziert ist. Letzteres Argument mutet durch und durch wie neoliberales Gedankengut an. Da stellt sich die Frage, ob man im Falle eines Punks, der ja dezidiert ein Zeichen gegen diese Gesellschaft setzt und durch seine äußere Erscheinung unter Umständen nicht minder arbeitsmarktuntauglich ist, zum selben Schluss kommen würde, ihm oder ihr gegebenenfalls auch die Sozialhilfe zu entziehen. Eine links-liberale Argumentation in der Burkafrage, die die Geschlechtergleichheit und feministische Anliegen berücksichtigt, muss anders aussehen. Die Selbstbestimmung der Frau und jedes Individuums, gerade in privaten Angelegenheiten der Kleidung, muss auch für Burkaträgerinnen gelten. Eine paternalistische Haltung, die vorgibt, wir „befreiten“ Europäerinnen müssten anderen Frauen unsere Lebensweise aufzwingen, sehe ich nicht mit Frauenrechten vereinbar. Zudem muss eine Gesellschaft, die sich als liberal versteht, auch individuelle Entscheidungen aushalten können, die nicht dem Mehrheitsgeschmack entsprechen, insbesondere dann, wenn es nur um „Einzelmasken“ geht. Im Grundsatz plädiere ich keineswegs – weder aus islamischer noch aus frauenrechtlicher oder sozialer Sicht – für die Vollverschleierung. Im Gegenteil bin ich der Ansicht, dass es eine Pflicht gibt, dass alle Menschen im öffentlichen Raum identifizierbar sein sollen. Wie dringlich die Durchsetzung dieser Pflicht in unserer Gesellschaft ist und ob der politische Diskurs notwendigerweise mit islamophoben Reflexen, Kulturüberlegenheit, Anpassungsdruck und sozialer Bestrafung einhergehen muss, dahinter mache ich ein großes Fragezeichen.
ZUR PERSON. Amira Hafner-Al Jabaji
Amira Hafner-Al Jabaji, 1971 in Bern geboren, ist Islamwissenschaftlerin, Referentin und Publizistin. Zu ihren Schwerpunkten zählt die Genderperspektive im Islam. Al Jabaji ist Präsidentin des Interreligiösen Think Tanks in der Schweiz, der sich für den Dialog zwischen den Religionen einsetzt.
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