Neues von der Bock
Von ihr kann man alles haben, nur kein Nein. Die Flüchtlingshelferin Ute Bock ist im wahrsten Sinn grenzenlos. Ihre Sozialarbeit: der ganz normale Wahnsinn. Alltag in Wien.
Frau Bock macht langsame Fortschritte nach ihrem Schlaganfall. Übungen für den einen Arm bleiben ihr noch nicht erspart, auch nicht ein Haufen Tabletten. Sie sitzt noch im Rollstuhl und kommentiert die Situation auf ihre Weise: Es ist besser g’sund, reich und g’scheit als krank, arm und deppert.
Haus gesucht
Ich brauch noch ein Haus, ich brauch eine Notschlafstelle. Es kommt jeden Tag jemand, den wir nirgendswo unterbringen können und den wir wegschicken müssen. Das ist furchtbar. Ich kann ja jemand nicht einfach zu irgendeiner anderen Familie dazulegen, darauf muss man schon achten. So könnt’ ich sagen: Da ist eine Notschlafstelle, da kannst von heute auf morgen schlafen, dann kommst wieder her und wir schauen, was du für Chancen hast mit dem Asyl. Und dann kann man sich um eine andere Unterkunft kümmern. Ich hätte sogar zwei tüchtige Mitarbeiter dafür. Ich will diese Woche noch da runter fahren, zur Kirche, und da oben gibt’s auch eine, und eine im zweiten Bezirk, wo ich fragen werd’. Ich will nicht, dass die Leute in der Kirche schlafen, aber vielleicht gibt es wo ein Billigsdorfer-Haus mit Kleinstwohnungen drin, das unsere Leute dann herrichten können.
Mutter mit Säugling
Unlängst kommt um 10 Uhr am Abend eine Frau mit einem Säugling und einem vielleicht dreijährigen Kind, blazt, sie hat nix zum Schlafen und kann den Kindern nix zum Essen geben. Sie hat nichts. Das Essen kann man regeln aber mit dem Schlafen, das is eine Katastrophe. Die war in Ungarn verheiratet und dort geschieden, der Mann hat sie rausgeschmissen. Gut, was es für Leut’ gibt, das weiß man. Jedenfalls kann ich ned sagen, Geh zu deinem Mann zurück, das geht nicht. Ich hab sie dann wo untergebracht, sie kriegt von mir ein wöchentliches Geld, auch wenn sie Gewand braucht für die Kinder, kriegt sie auch eins. Aber sowas funktioniert nicht endlos, ich kann das nicht bei der nächsten wieder und bei der nächsten wieder machen. Jetzt wohnt sie in einer Wohnung von mir. Das eine Kind war im Wickelkissen, das andere war vielleicht drei Jahre alt. Aber sie hat Deutsch können, ein bisserl zumindest.
Probeliegen
Vor dem Fenster ein kleiner Garten, dort werden Beete gepflegt. Ich hab einen Afghanen, der den Hof betreut, der bildet sich ein, er ist Gärtner. Der macht das wirklich sehr schön. Der hat auch die Vogelhäusl’n aufgehängt. Schauen Sie einmal da, sehen Sie die Hochbeete da hinten, die der gemacht hat? Ich hab’ immer gesagt, das schaut aus wie ein Probefriedhof (lacht). Die Beete hat er selbst aus den Brettln gebaut. Ich hab zu ihm gesagt: Kannst ned warten, bis ich tot bin? Probeliegen tun wir erst dann.
Nicht das Himmelreich
Wenn man im Fernsehen die Bilder von den Flüchtlingen in Syrien sieht, das ist schlimm. Ich bin sonst schon belastbar, aber wenn man die Kinder sieht, wie die weinen, und die Eltern, die die Nerven schon wegschmeissen, wegen der Belastungen... Ich hab einen schwarzen Vater im Haus mit einem süßen Kind, das jetzt in die erste Klasse Volksschule geht. Die hör’ ich, wenn sie heimkommt, weil sie so laut ist. Wenn das mein Enkelkind wär’, ich weiß nicht... Er sagt: ‚Komm, du musst was essen.’ Das Kind: ‚Ich will nicht, ich mag nicht, ich hab keinen Hunger.’ Er: ‚Na komm, dann gehen wir schlafen.’ Da sagt die Kleine drauf: ‚Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?’. Die sind von der Elfenbeinküste gekommen, vielleicht schon eineinhalb Jahre bei mir. Die sind auch einmal vor der Tür gestanden, ob sie da übernachten können. Der Mann geht aber arbeiten, das Kind bringt er zur Tagesmutter. Das ist alles nicht so leicht. Erstens: Wer gibt einem Schwarzen eine Wohnung? Zweitens muss er sich was ansparen, dass er sich das leisten kann. Natürlich würde jeder gerne weg, in eine eigene Wohnung. Das Haus hier ist nicht das Himmelreich. Aber natürlich ist es besser als die Straße. Es ist halt als Starthilfe gedacht. gun
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