Migration of the fittest
CLARTEXT. Das Dasein von Asylsuchenden in Österreich sollte nicht mit einem Nutzen für die Gesellschaft gerechtfertigt werden. Clara Akinyosoye sagt es nicht durch die Blume. Eine Kolumne über Diversität und Migration.
Man kennt es aus der Migrations- und Integrationsdebatte – die Einteilung in gute und schlechte ZuwanderInnen. Fachkräfte statt ArmutsmigrantInnen, heißt es dann. Die besten Köpfe, nicht hungernde Mägen – könnte man sagen. Gute MigrantInnen sind hervorragend ausgebildet, beherrschen viele Sprachen und reden dennoch nur Deutsch. Schlechte MigrantInnen waren nicht lange in der Schule, ihr Deutsch ist nicht gerade perfekt. Wer gut und wer schlecht ist, manifestiert sich an der Nützlichkeit eines Menschen, an seiner Verwertbarkeit in ökonomischen Prozessen. Der Nützlichkeitsdiskurs ist in der politischen und gesellschaftspolitischen Debatte über geregelte Zuwanderung zum Usus geworden. Ob er dort gut aufgehoben ist oder nicht, ist eine andere Frage. Sollen sich Menschen auf dieser Erde frei bewegen können oder nicht? Ist es in Ordnung, wenn Menschen die Gnade eines vielversprechenden Geburtsortes genießen und Hürden für jene aufstellen, die ein Stück vom Kuchen wollen? Ideologische Fragen.
Verstörend ist der Nützlichkeitsdiskurs aber jedenfalls wenn er – wie das mitunter geschieht – Einzug in die Asyldebatte hält. Eine 36-Jährige Afghanin verließ Österreich unlängst in Richtung Kanada, nachdem sie beinahe nach Afghanistan abgeschoben worden war. Die Akademikerin spricht vier Sprachen. In Onlineforen äußerten einige Menschen ihr Unverständnis darüber, dass eine gut qualifizierte Frau hierzulande so behandelt wurde. Es sind auch jene Menschen, die versuchen, für Asylsuchende zu werben, die den Nützlichkeitsdiskurs in der Asyldebatte weitertreiben. Es sind Menschen, die in Opposition zur rechten Propaganda, welche Asylsuchende als träge und nutzlos diffamiert, der Bevölkerung klarmachen wollen, dass das falsch ist. Sie wollen ihr zeigen, dass sie sich vor Flüchtlingen nicht zu fürchten braucht, dass diese Menschen aus zivilisiertem Hause kommen, und Österreichs Wohlstand sichern können. Dass sie nicht – wie die FPÖ propagiert – den unsrigen auf der Tasche liegen. Das ist verständlich und manchmal wird es auch verstanden. Doch wir haben schon verloren, wenn wir beginnen die Existenz von Schutzsuchenden in Österreich damit zu rechtfertigen, dass sie unserem Land zweckdienlich sind. Die Rechtspopulisten werden immer einen Grund dafür finden, warum Österreich diese Menschen nicht gebrauchen kann. Also lassen wir uns auf den Nützlichkeitsdiskurs erst gar nicht ein. Er ist ein gefährlicher: Er lässt Licht auf Junge, Starke und Motivierte fallen und lässt Alte, Kranke und Traumatisierte im Schatten. Aus der Migrationsdebatte ist er leider nicht mehr wegzudenken. Die Konsequenz: Migration of the fittest. Das sollte uns eine Lehre sein. Reden wir lieber über Gerechtigkeit.
Clara Akinyosoye ist freie Journalistin und Ex-Chefredakteurin von M-Media.
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